Wer als Ausbilderin oder Ausbilder im Unternehmen tätig werden möchte, muss vorher die Prüfung nach der Ausbilder-Eignungsverordnung (AEVO) absolvieren. Die Vorbereitung auf die AEVO-Prüfung erfolgt meist in den Lehrgängen "Ausbildung der Ausbilder und Ausbilderinnen", kurz AdA-Lehrgängen. Seit Frühjahr 2024 folgen die Lehrgänge dem überarbeiteten Rahmenplan und seit Juli 2024 werden bei den AEVO-Prüfungen ebenfalls die angepassten Änderungen des Rahmenplans berücksichtigt. Ausbildende bereiten ihre künftigen Azubis so noch besser zum Beispiel auf die digitalisierte Arbeitswelt oder nachhaltiges Handeln vor. Und weil die Auszubildenden von heute die Lehrgangsteilnehmerinnen und -teilnehmer von morgen sind, lohnt es sich für alle Dozentinnen und Dozenten, die Hintergründe und Intentionen der AEVO-Rahmenplanaktualisierung mitzuverfolgen.
AdA-Perspektivwechsel
Ausbilderinnen und Ausbilder legen die Basis für den beruflichen Werdegang ihrer Auszubildenden. Sie wecken die Begeisterung für den jeweiligen Beruf, sie motivieren zum Lernen, sie vermitteln Fachwissen und Handlungskompetenzen, sie fördern die Persönlichkeitsentwicklung der Jugendlichen und jungen Erwachsenen und vieles mehr. Alles das kann nicht jede und nicht jeder und vor allem: Gute Ausbildung will gelernt sein. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber mit der AEVO definiert, was alles zur Eignung des zukünftigen Ausbildungspersonals dazugehört.
Wir sprachen mit Sigrid Martin und Dr. Gordon Schenk darüber, was der neue DIHK-Rahmenplan an Veränderungen für die AdA-Qualifizierung, für zukünftige Ausbilderinnen und Ausbilder sowie für die Auszubildenden und ihre Unternehmen bedeutet.
Herr Dr. Schenk, warum haben die Verantwortlichen nicht die AEVO geändert, sondern den Rahmenplan?
Dr. Gordon Schenk: Dafür gibt es zwei gute Gründe. Zum einen formuliert die AEVO primär substanzielle, in vier Handlungsfelder gegliederte Zielvorgaben. Ausbilderinnen und Ausbilder müssen durch ihre AEVO-Prüfung nachweisen, dass sie, sehr verkürzt gesagt, die Ausbildung sinnvoll planen, vorbereiten, durchführen und abschließen können. Die Struktur und Offenheit dieser Ziele eignen sich heute wie vor 14 Jahren dazu, dass Ausbilderinnen und Ausbilder später im Betrieb keinesfalls improvisiert oder „hemdsärmelig“ mit Auszubildenden umgehen, sondern auf einem gesicherten Kompetenzniveau Verantwortung für die Ausbildung übernehmen können.
Zum zweiten hat die Änderung des Rahmenplans den Vorteil, dass sie schneller, gezielter und differenzierter erfolgen kann. Der Rahmenplan beantwortet, wie die Zielsetzungen der Verordnung heute, unter veränderten Bedingungen in unserer Arbeitswelt und Gesellschaft, erreicht und welche Kompetenzen dazu von den zukünftigen Ausbilderinnen und Ausbildern verlangt werden sollten.
Frau Martin, es gibt zwei Rahmenpläne, einen vom BIBB und einen von der DIHK. Warum?
Sigrid Martin: Das BIBB hat die gesamte Wirtschaft im Blick. Das schließt die Ausbildung beispielsweise auch im Handwerk oder in der Landwirtschaft mit ein. Der DIHK-Rahmenplan bietet den Vorteil, dass sich die Ausbildung der Ausbilderinnen und Ausbilder stärker auf die IHK-Mitgliedsunternehmen und die hier anzutreffenden Ausbildungsbedingungen fokussieren kann.
Was ändert sich nun in der Ausbildung der Ausbilder?
Dr. Gordon Schenk: Die Experten haben vier große Herausforderungen benannt, für die die zukünftigen Ausbilderinnen und Ausbilder in den AdA-Lehrgängen passende Ausbildungskompetenzen entwickeln sollen und die in der AEVO-Prüfung nachzuweisen sind.
- Die digitale Transformation der Arbeitswelt schreitet immer weiter voran und verändert auch die Ausbildung massiv.
- Große Teile der Wirtschaft setzen mit Blick auf den Klimawandel, die Ressourcenknappheit und die globalen Verflechtungen auf Nachhaltigkeitsstrategien. Diese müssen von den Beschäftigten, von den Auszubildenden bis zum Management, mitgetragen werden, damit sie Wirksamkeit entfalten können.
- In der Ausbildung spiegelt sich die zunehmende Heterogenität unserer Gesellschaft.
- Nicht zuletzt steht der Fachkräftemangel ebenfalls im Fokus.
Diese Herausforderungen gilt es durch geeignete vorbereitende Qualifizierung konstruktiv anzunehmen.
Sigrid Martin: Ich nenne einmal das Beispiel „Lernprozessbegleitung“. Der neue Rahmenplan zielt darauf ab, dass Ausbilderinnen und Ausbilder das Ausbilden nicht mehr als Unterweisung der Auszubildenden verstehen, sondern vielmehr als aktive Lernprozessbegleitung. Dazu müssen wir ihnen in den Lehrgängen aber auch entsprechende Ausbildungsmethoden an die Hand geben, auch für digitale Ausbildungsphasen. Hier gibt es zahlreiche gute Instrumente, um das selbstständige Lernen der Auszubildenden zu fördern, ihre Lernfortschritte zu überprüfen und individuell nachzujustieren.
Mit dem Ansatz der Lernprozessbegleitung können die Ausbilderinnen und Ausbilder die Ausbildung viel besser auf die veränderten Realitäten einstellen, die wir in den Unternehmen nun einmal haben.
Dr. Gordon Schenk: Das korrespondiert auch mit den Entwicklungen, die sich mit den Modernisierungen der Ausbildungsordnungen vollziehen. Auch hier gewinnen Aspekte der digitalen Zusammenarbeit und Digitalkompetenzen immer mehr Gewicht. Also müssen die Ausbilderinnen und Ausbilder ihren Azubis diese vermitteln können und selbst darüber verfügen.
Sigrid Martin: Genau darum geht es. Wir lösen uns von Anforderungen an die Ausbilderinnen und Ausbilder, die von der Praxis in den Unternehmen und in unserer Gesellschaft nicht mehr gedeckt sind. Der neue Rahmenplan will stattdessen andere Zugänge zu den heutigen Auszubildenden, zur Aufgabe Ausbildung und ein erneuertes Rollen-Selbstverständnis vermitteln. Bei der Überarbeitung war es gemeinsamer Wille, eine moderne, geschäftsprozessorientierte Ausbildung zu ermöglichen. In den neuen Lehrgängen soll es daher viel mehr um das „Wie alles ineinandergreift“ gehen, als um kleinteilige Vorgaben wie sie aktuell noch erwartet werden. Ausbildung muss für die heutigen Jugendlichen attraktiv, zeitgemäß und qualitativ hochwertig sein, damit sie ihre Funktion der Fachkräftesicherung und Integration ins Berufsleben weiterhin erfüllen kann.
Die heutigen Jugendlichen – was ist an denen so anders als früher?
Dr. Gordon Schenk: Die Antwort auf diese Frage ist sehr vielschichtig. Bleiben wir aber bei der Ausbildung: Durch den demografischen Wandel müssen sich Ausbildungsbetriebe heute eher um Auszubildende bewerben als umgekehrt. Jugendliche haben heute zudem andere Erwartungen an ihren Ausbildungsbetrieb und späteren Arbeitgeber. Viele von ihnen legen zum Beispiel großen Wert auf ein nachhaltiges unternehmerisches Handeln, sie haben einen hohen Anspruch an die Sinnhaftigkeit ihres beruflichen Tuns und ihre Kriterien zur Beurteilung der Attraktivität eines Ausbildungsbetriebes bzw. späteren Arbeitgebers sind andere als noch vor zehn Jahren.
Sigrid Martin: Alles das verlangt von den Ausbilderinnen und Ausbildern ein ganz anderes Herangehen an das Ausbildungsmarketing, an den Auswahlprozess und letztlich an ihre Führungsaufgaben während der Ausbildung. Wir wollen sie mit dem neuen Rahmenplan beispielsweise noch besser in die Lage versetzen, nicht die potenziellen Schwierigkeiten mit einem jungen Menschen, sondern seine besonderen Potenziale in den Fokus zu setzen. Damit das in der AEVO-Qualifizierung wirklich konkret wird, trainieren wir, wie mit der immer spürbarer werdenden Heterogenität der Auszubildenden praktisch umgegangen wird. Wir haben es mit Menschen aus allen sozialen Milieus und zig verschiedenen Kulturen zu tun, mit Geflüchteten, mit jungen Erwachsenen, die ein Studium begonnen, aber nicht beendet haben, und wir wollen sie alle am Ende zum erfolgreichen Abschluss ihrer Ausbildung führen.
Die Ausbilderinnen und Ausbilder, die mit dieser Vielfalt konstruktiv und souverän umgehen können, legen in den Unternehmen bereits den Grundstein für ein offenes und tolerantes Miteinander, auf das wir nicht nur in den Betrieben, sondern gesellschaftlich angewiesen sind.
Dr. Gordon Schenk: Diesen Zusammenhang kann man gar nicht deutlich genug betonen. Gute Ausbilderinnen und Ausbilder zu haben, besitzt für die Unternehmen, ihre Fachkräftesicherung und Unternehmenskultur einen unmittelbaren Nutzen und immensen Wert. Zugleich entfaltet die gesamte berufliche Aus- und Weiterbildung eine große integrative Wirkung und stärkt unsere Gesellschaft. In gute Aus- und Weiterbildung zu investieren und sich für ihr Gelingen zu engagieren, lohnt sich – für alle!
Frau Martin, Herr Dr. Schenk, vielen Dank für die Erläuterungen und die engagierten Plädoyers für die Aus- und Weiterbildung.
Hintergrund
Die AEVO wurde erstmals 1972 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) erlassen und zuletzt 2009 geändert.
Verantwortlich für die Durchführung der AEVO-Prüfungen sind die zuständigen Stellen wie zum Beispiel die Industrie- und Handelskammern.
An der Überarbeitung des BIBB- bzw. DIHK-Rahmenplans haben zahlreiche Expertinnen und Experten unter anderem aus der Wirtschaft, von Seiten der Arbeitnehmervertretungen sowie aus der Berufsbildungsforschung mitgearbeitet.
Die AEVO selbst bleibt unverändert. Die überarbeiteten Rahmenpläne sichern jedoch in einer neuen Form, wie die Qualität der Ausbildung in veränderten Zeiten durch qualifizierte Ausbilderinnen und Ausbilder sichergestellt werden soll.