Interview zum "KI-Scout (IHK)" mit Antonia Schulte
![Antonia Schulte Portraitbild von Andrea Schulte](https://www.dihk-bildungs-gmbh.de/resource/blob/124350/dc51f9299273e9345ed169e76265eaca/schulte-data.jpg)
Antonia Schulte, Trainerin
© MINTkitchen GBR
Antonia Schulte
- Expertin für Technologiebildung
- Geschäftsführerin der MINTkitchen GbR
- ausgebildete Gymnasial- und Gesamtschullehrerin
- Jahrgang 1989
Frau Schulte, wenn die Auszubildenden am IHK-Zertifikatslehrgang „KI-Scout (IHK)“ teilgenommen haben, sind sie in Sachen KI dann schlauer als ihre Ausbilderinnen und Ausbilder?
Antonia Schulte: Das hängt von den Ausbilderinnen und Ausbildern ab. Aber selbst wenn, was wäre schlimm daran? Beim Umgang mit Social Media sind viele junge Menschen auch erfahrener als manche ältere. Solche Situationen weisen darauf hin, dass wir alle, egal welches Alter wir haben, immer weiter lernen sollten. Denn nur so können wir mit den Entwicklungen Schritt halten, die unser gesellschaftliches Miteinander und unsere Arbeitswelt so umfassend verändern, wie es aktuell durch die KI geschieht.
Was war die Idee bei der Konzeption des Lehrgangs speziell für Auszubildende?
Zunächst einmal, und das ergänzt auch Ihre erste Frage, die Teilnahme am Lehrgang soll nicht einfach „nur“ Wissen vermitteln, sondern die Auszubildenden zu echten KI-Scouts qualifizieren. In vielen Unternehmen können die Azubis Pioniere in Sachen KI sein, die die KI-Transformation mit konkreten Impulsen ins Rollen bringen. Mit diesem Ziel vor Augen haben wir den Lehrgang in drei Phasen eingeteilt (1) KI kennenlernen, (2) KI selbst ausprobieren und unternehmensbezogene Anwendungsfälle finden und schließlich (3) einen geeigneten KI-Anwendungsfall im Detail ausarbeiten.
Was haben die Ausbilderinnen und Ausbilder davon, ihre Auszubildenden in den Lehrgang zu entsenden?
![bab 2023-12-11-kuenstliche-intelligenz Weltkugel mit digitalem Overlay](https://www.dihk-bildungs-gmbh.de/resource/image/125848/landscape_ratio16x9/200/113/146a854528be22adc517bb337e18c506/8B8F933046B50D82D4737526CF0C0997/kuenstliche-intelligenz.jpg)
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Wir müssen uns klar sein, dass es keine leichte Aufgabe ist, für eine Top-Ausbildung zu sorgen, die junge Erwachsene fachlich und persönlich begeistert, die sich auch außerhalb des Unternehmens herumspricht und die sie schließlich auch ans Unternehmen bindet. Die Teilnahme am „KI-Scout (IHK)“ hilft Ausbildenden dabei, betriebsnahes Know-how zum Zukunftsthema KI in die Ausbildung zu integrieren, ohne hierfür eigene Vorarbeit leisten zu müssen. Ich betone diesen Aspekt, weil KI alle Branchen und alle Unternehmensgrößen betrifft und sich eben nicht nur auf technikaffine Bereiche oder IT-Berufe beschränkt. Die Azubis brauchen keine KI- oder IT-Vorkenntnisse.
Die Teilnahme erfordert keine zusätzliche Begleitung durch die Ausbildenden und keine KI- oder IT-Vorkenntnisse der Azubis.
Wir bieten einen niederschwelligen Einstieg, der sich für wirklich jeden Ausbildungsbetrieb lohnt. Lassen Sie mich hier noch ergänzen, dass wir den „KI-Scout (IHK)“ ganz bewusst auch jungen Frauen in der Ausbildung empfehlen. Wir sehen in unserem Bildungssystem leider weiterhin, dass die MINT-Fächer noch immer männlich dominiert sind. Damit verschenken wir Potenzial auf allen Seiten: bei vielen weiblichen Auszubildenden und in den Unternehmen. Beim Thema KI sollte uns das nicht ebenso passieren. Die Technologie greift noch viel tiefer in unser Leben ein als die bisherige Digitalisierung, und sie wird alle Ausbildungsberufe verändern, auch solche, in denen Jungs seltener anzutreffen sind. Daher mein Appell: Wir brauchen ebenso weibliche KI-Scouts wie männliche, es schlummern überall Potenziale!
Das hört sich alles sehr durchdacht und engagiert an. Aber kann man Auszubildende wirklich nach ein paar Trainingsstunden mit den heutigen KI-Tools alleine im Beruf arbeiten lassen?
Nun, das ist nicht unser eigentliches Ziel des Lehrgangs. Denn KI ist viel mehr als zum Beispiel Chat GPT, DeepL oder Stable Diffusion. Es geht nicht um neue Tools im Werkzeugkasten, die man nach einer entsprechenden Qualifizierung einsetzt. Vielmehr ist KI dabei, die gesamte Berufswelt zu verändern. In Deutschland fangen wir gerade erst an, das Potenzial von KI auszuloten.
Künstliche Intelligenz ist kein IT-Thema, sondern betrifft alle Branchen.
![KI-Scout Emma Schulte KI-Scout](https://www.dihk-bildungs-gmbh.de/resource/image/116450/landscape_ratio16x9/200/113/9afadad674278fcc8e541b5a48001b2/F3E4F9E7C79174A4B84F1B5C88E7AC7B/emma-schulte-fuer-teaser-slider.jpg)
Emma Schulte wird eine der ersten "KI-Scouts" in Deutschland
© MeisterWerke Schulte GmbH
Wir entdecken immer neue Einsatzmöglichkeiten und die KI-Systeme werden immer leistungsfähiger. Das führt in der Ausbildung dazu, dass es in vielen Unternehmen gar nicht möglich ist, die Azubis beim Erlernen von KI-Kompetenzen zu begleiten. Denn nur die wenigsten Mitarbeitenden verfügen selbst über ausreichende Erfahrung, um diese an die Auszubildenden weitergeben zu können. Das Thema KI wird aber die heutigen Jugendlichen und ihre beruflichen Entwicklungen viel umfänglicher beschäftigen als jede Generation vor ihnen.
Ausbilderinnen und Ausbilder müssen die Lernfortschritte ihrer Auszubildenden während des Lehrgangs doch auch begleiten.
Nicht beim „KI-Scout (IHK)“. Bei der Konzeption des Lehrgangs ist uns bewusst gewesen, dass die Unternehmen insgesamt, also nicht nur die Ausbildung, nach Wegen suchen, wie sie in das Thema KI einsteigen, die erforderlichen Kompetenzen aufbauen und das große Potenzial für sich erschließen können. Deshalb haben wir uns dazu entschieden, dass während des gesamten Lehrgangs keine Begleitung durch die Ausbilderinnen und Ausbilder erforderlich ist. Die Azubis erhalten alles an die Hand, um sich das grundlegende Wissen rund um das Funktionieren von KI im Lehrgang selbst anzueignen und in ihrem Unternehmen auf die Suche nach sinnvollen KI-Anwendungsfällen zu gehen. Sie entwickeln sich zu echten Wegbereiterinnen bzw. Wegbereitern – Scouts eben. Sie bringen betriebsrelevante KI-Impulse ins Unternehmen und sie haben gelernt, was nötig ist, um ihre Ergebnisse auch gegenüber Berufserfahrenen überzeugend zu präsentieren. Ich kann nach der Durchführung der ersten Lehrgänge berichten, dass diese Zielsetzung tatsächlich erreicht wird. Nachdem die KI-Scouts ihre Projektarbeiten vorgestellt haben, nehmen die Betriebe das Thema KI – oft zum ersten Mal – ernsthaft auf die Agenda und setzen sich dafür ein, ihre Auszubildenden auch auf diesem Feld weiter arbeiten lassen zu können.
![Künstliche Intelligenz Auf einer Platine leuchtet die Abkürzung "AI" (Artificial Intelligence)](https://www.dihk-bildungs-gmbh.de/resource/image/126066/landscape_ratio16x9/200/113/34c78d54b0522e4924235a4136e95f5c/24F3E19F3D746C59FE9A3D63486657DB/ki-bild-2.jpg)
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Welche Methoden und Lernformen kommen bei der Durchführung des Lehrgangs zum Einsatz?
An erster Stelle steht das selbstgesteuerte, projektbasierte Lernen, das wir als Trainerinnen und Trainer aber selbstverständlich initiieren, begleiten und führen. Uns geht es im Lehrgang ja auch nicht um eine definierte Lösung, sondern um den Weg zur eigenen Lösung. Die Auszubildenden lernen in gemeinsamen Workshops, sie erarbeiten sich wesentliche Wissensbausteine selbst, Stichwort: flipped classroom. Uns ist wichtig, dass die Azubis zuerst untereinander überlegen, was zum Beispiel die Anforderung „Machbarkeit“ bei einer KI-Anwendung für ihr Unternehmen bedeutet.
Der Lehrgang eignet sich für junge Frauen ebenso wie für junge Männer. Wir sollten ihr Potenzial nutzen, anstatt es zu ignorieren.
Das Lehrgangskonzept wiederum ermöglicht die Durchführung als reinen Präsenzlehrgang, als hybride Form, bei der sich Präsenz- und Online-Termine abwechseln, und ebenso als 100-Prozent-Online-Lehrgang. Die IHKs bzw. IHK-Bildungszentren können das ganz nach Bedarf und Anmeldungen variieren. Alle eingesetzten Trainerinnen und Trainer erhalten mit dem Lehrgangskonzept sowohl die vorgesehenen Wissensbausteine wie auch die detaillierten Empfehlungen für die didaktisch-methodische Realisierung.
Wer einen solchen Lehrgang entwickelt und durchführt, muss selbst über aktuelles KI-Know-how verfügen.
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Richtig, an der Entwicklung des Lehrgangs hat mein Kooperationspartner Wilhelm Klat sehr großen Anteil. Er ist Spezialist für KI-Automation, beschäftigt sich seit über zehn Jahren mit dem Thema KI und hat in zahlreichen Unternehmen die unterschiedlichsten KI-Anwendungen eingeführt. Diese Erfahrungen sind zusammen mit meinem Wissen rund um eine praxisnahe Technologiebildung von Azubis bis hin zu Fach- und Führungskräften in die Konzeption eingeflossen. Das Lehrgangskonzept enthält somit neben den didaktischen Hinweisen und Leitlinien auch die nötigen KI-fachlichen Elemente, die andere Trainerinnen und Trainer nutzen können.
Für den Lehrgang ist ein ganzes Team aus Technik- und Didaktik-Fachleuten verantwortlich und als Dozenten-Duo haben Wilhelm Klat und ich auch erprobt, ob das alles funktioniert – und ja, das tut es.
Was antworten Sie Ausbilderinnen und Ausbildern, die unsicher sind, ob der Lehrgang für ihre Auszubildenden geeignet ist?
Vieles habe ich ja schon gesagt, aber ich möchte noch einmal betonen: KI ist kein IT-Thema! Die Technologie wird unsere gesamte Arbeitswelt verändern, sie wird sich auf jeden Beruf und jede Branche auswirken. Gute Ausbildung soll die jungen Erwachsenen, Jungs und Mädchen, auf ihre berufliche Zukunft vorbereiten, deshalb gehört die frühzeitige, auch kritische Auseinandersetzung mit KI und ihren Potenzialen aus meiner Sicht dringend dazu.
![KI in der Ausbildung Roboterteam steigert Software, Maschine und sorgt für Effizienz. Fehlerbehebung, Upgrade für optimales Ergebnis](https://www.dihk-bildungs-gmbh.de/resource/image/125846/landscape_ratio16x9/200/113/cb920bd99c8f98077cdc14d4a3ab88a8/3AC0BBA4D2FA983F94DB7F9A14DB4471/ki-ausbilder.jpg)
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Wenn sich Ausbildungsbetriebe dazu entscheiden, ihre Auszubildenden zusätzlich auch zu KI-Scouts weiterzubilden, dann sollten sie das meiner Meinung nach unbedingt auch auf ihrer Website klar und deutlich herausstellen. Denn viele junge Erwachsene verstehen, dass mit dem Stichwort KI bedeutende Veränderungen in der Wirtschaft und Gesellschaft verbunden sind. Wenn sie sehen, dass ein Unternehmen den Stellenwert des Themas erkannt hat und seine Nachwuchskräfte entsprechend darauf vorbereitet, ist das ein wichtiger Pluspunkt. Für manche Bewerberinnen bzw. Bewerber stellt das genau das Extra dar, auf das es ankommt.
Wer sich jetzt immer noch nicht sicher ist, ob der Lehrgang für die Auszubildenden geeignet ist, sollte es einfach einmal darauf ankommen lassen. Ich bin überzeugt, wenn der oder die erste KI-Scout im Unternehmen die KI-Landkarte vorstellt und den ersten wirklich praktischen und nützlichen Anwendungsfall präsentiert, öffnen sich auch die Türen für die nächsten KI-Qualifizierungen nicht nur der Auszubildenden.
Frau Schulte, vielen Dank für Ihre Erläuterungen und die Verdeutlichung der Dringlichkeit, die Herausforderung KI-Transformation jetzt in den Unternehmen und in der Ausbildung anzunehmen. Wir drücken die Daumen, dass ganz viele KI-Scouts die nötigen Startimpulse in die Unternehmen tragen werden.