Als Dozierende müssen wir Kritik aushalten, das steht fest. Manchmal wird Kritik aber nicht sachlich geäußert, sondern in Form verbaler Angriffe transportiert, zum Beispiel durch Killerphrasen: „Das machen wir schon immer so!“ Oder: „Sie werden schon sehen, wohin das führt!“ Aber auch das Zusammenziehen der Augenbrauen, soziales Grunzen oder Verhärtungen des Körpers können Angriffe sein. Die Standardreaktion darauf ist die völlig unwirksame Verteidigung eigener Ideen.
Kotzende soll man nicht füttern ... Aber tun wir das nicht alle?
Die einfache Weisheit, „Kotzende soll man nicht füttern!“, gilt erst recht in stressigen Situationen bzw. Konflikten. Wer „unter Strom“ steht, ist für neue Sichtweisen nicht offen (siehe Teil 7 dieser Serie). Darum bringen jetzt auch beste Argumentationen und Erklärungen nichts, die aufgebrachten Lehrgangsteilnehmerinnen und -teilnehmer werden sich nur noch mehr „auskotzen“. Aber was hilft dann? Greifen Sie bei verbalen Angriffen einfach zu drei hochwirksamen E’s:
E wie Einladen
Die erste Phase der Konfliktlösung dauert nur ca. 5 Sekunden. Ziel ist es, dass Sie sich absolut auf Ihren Konfliktgegenüber im Unterricht einlassen und dieser das auch merkt. Konkret bedeutet das unter anderem:
- Unterbrechen Sie ihre Tätigkeit und wenden Sie sich dem anderen zu.
- Bauen Sie aktiv einen freundlichen Blickkontakt auf.
- Fokussieren Sie sich emotional und signalisieren Sie ihre ganze Aufnahmebereitschaft.
Fühlen Sie sich wie ein freundlicher Gastgeber, haben Sie den Rahmen für einen Dialog geschaffen.
E wie Erkunden
Die zweite Phase fokussiert Ihr Verstehen der Teilnehmerin bzw. des Teilnehmers. Mit vier Fragen verstehen Sie ihren Konfliktpartner einfach besser:
- Das ist interessant/wichtig/bemerkenswert, kannst Du da mehr erzählen?
- Warum ist Dir das gerade jetzt so wichtig?
- Was meinst Du denn genau damit, ich verstehe es noch nicht so ganz?
- Wie bewertest Du das jetzt – und warum genau?
Kommt im Gespräch nichts Neues, fassen Sie das Gehörte mit eigenen Worten zusammen und fragen, ob Sie die Teilnehmerin bzw. den Teilnehmer richtig verstanden haben. Wenn nicht, fragen Sie einfach weiter nach. Wenn ja, ist es Zeit für die abschließende Phase.
E wie Erfinden
Haben Sie und ihr Konfliktgegenüber das Gefühl zu verstehen bzw. verstanden zu werden, ist das Gehirn entspannter. Nun ist es in der Lage, kreative Lösungen zu (er)finden. Diese Fragen helfen Ihnen:
- Was würdest Du jetzt vorschlagen?
- Was würden denn die anderen im Lehrgang jetzt vorschlagen?
- Darf ich etwas vorschlagen?
Es ist gut möglich, dass auf ihre erste Frage eine so gute Antwort kommt, dass Sie gar nichts weiter tun müssen. Falls nicht, stellen Sie die nächsten Fragen.
Das Ungewohnte an dieser Methode ist die eigene Zurückhaltung: Man erklärt oder rechtfertigt sich nicht, sondern fragt. Das Schöne ist, dass die drei E‘s immer einsetzbar sind: Auch wenn Sie mitten in einem Konflikt stecken, können Sie immer das erste „E“ aktivieren und eine neue Atmosphäre schaffen.
Wie immer: Probieren Sie diese Methode in den kommenden Wochen bewusst aus. Sie werden damit 99,9 Prozent aller verbalen Angriffe im Unterricht partnerschaftlich einbinden. Versprochen!
Viel Spaß, alles Gute und bis zum nächsten Mal,
Über den Autor
Dr. phil. Gregor Kern
Ausbildung zum Großhandelskaufmann, danach Studium der Pädagogik einschließlich Promotion.
Seine wissenschaftlichen Schwerpunkte liegen in den Bereichen:
- Lernen erwachsener Menschen
- Zusammenarbeit, Kommunikation, Führung
Dr. Kern arbeitete viele Jahre für verschiedene IHKs im Bereich der beruflichen Bildung, zuletzt als pädagogischer Leiter des IHK-Bildungszentrums in Karlsruhe. Seit 2016 ist er freiberuflicher Trainer, Berater und Coach.