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Das gilt: Wer lehrt, prüft nicht!

Warum das gut so ist ...

Ein Grundsatz für Fairness, Qualität und Vergleichbarkeit

„Wer lehrt, prüft nicht“, dieser Grundsatz gilt für alle Prüfungen in der Aus- und Fortbildung, die die IHK-Organisation als zuständige Stelle koordiniert. Wir sprachen mit zwei Prüfungsexperten darüber, warum das so ist und welche Vorteile diese Regel für die an den (Fortbildungs-)Prüfungen Beteiligten mit sich bringt.

Interview mit Bernd Müller-Hepp und Dr. Gordon Schenk

Dozentin erklärt etwas an Smartborad vor einer Gruppe

Die personelle Trennung von Lehre und Prüfung garantiert Fairness und Qualität in der beruflichen Bildung.

© GettyImages-910005954

Herr Müller-Hepp, was steckt hinter dem Grundsatz „Wer lehrt, prüft nicht“?

Bernd Müller-Hepp: Die IHKs haben den öffentlich-rechtlichen Auftrag, die Prüfungen fair, objektiv und valide abzunehmen. Fairness und Objektivität sind aber nur möglich, wenn die Prüferinnen und Prüfer unabhängig davon prüfen, wie gut sich eine Prüfungsteilnehmerin oder ein Prüfungsteilnehmer im Vorbereitungslehrgang präsentiert hat. Der gesetzliche Hintergrund besteht somit im Gleichbehandlungsgrundsatz.

Ist es nicht aufwendig, die Prüfungsausschüsse so zu besetzen? Die Dozentinnen und Dozenten wären doch bestens geeignet.

Bernd Müller-Hepp: Die Dozentinnen und Dozenten sind als Prüferinnen und Prüfer immer herzlich willkommen. Es geht lediglich darum, dass sie keine Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihrer eigenen Lehrgänge prüfen. Das ist zwar für uns in der Prüfungsorganisation eine Herausforderung, aber es geschieht auch aus Selbstschutz.

Nehmen wir an, jemand fordert, dass eine bestimmte Dozentin oder ein bestimmter Dozent für ihn oder sie als Prüferin bzw. Prüfer eingesetzt wird. Dahinter steckt die Vorstellung, dass die Prüfung dann einfacher und Antworten wohlwollender interpretiert werden würden. Faktisch wäre das aber allen anderen an der Prüfung Teilnehmenden gegenüber unfair und die Bewertung wäre in der Tat nicht objektiv.

Die andere Möglichkeit wäre, dass jemand eine Prüferin oder einen Prüfer nicht akzeptiert, weil es zuvor in der Rolle der Dozentin bzw. des Dozenten im Lehrgang schon Spannungen gab.

In beiden Fällen drohen den IHKs Befangenheitsanträge und Rechtsstreitigkeiten, denen wir am besten präventiv begegnen, indem wir uns an unsere bewährte Prüfungskultur und Prüfungsphilosophie halten, die in dem genannten Grundsatz zum Ausdruck kommt.

Dr. Gordon Schenk: Ich ergänze noch, dass sich der Grundsatz bereits positiv auf die Qualität der Lehre selbst auswirkt. Alle Dozentinnen und Dozenten wissen, dass sie ihre Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Ende nicht selbst prüfen werden. Es gilt für sie also wie auch später für die Prüferinnen und Prüfer, sich nicht zu verzetteln, auf persönliches Spezialwissen zu verzichten und immer das von der Verordnung vorgegebene Niveau zu beachten. Insofern könnte man also sagen: Wer lehrt, prüft nicht – und diese Trennung fördert die Zielorientierung in der beruflichen Aus- und Weiterbildung.

Wer profitiert von dem Grundsatz?

Herr Dr. Schenk, die IHKs gehen auf Nummer sicher, aber wer profitiert von dem Grundsatz?

Dr. Gordon Schenk: Tatsächlich profitieren alle an der Prüfung Beteiligten, denn der Grundsatz ist ein wichtiger Bestandteil der besonderen Qualität der Kompetenzfeststellung für die IHK-geprüften Abschlüsse. Die Prüfungsteilnehmerinnen und -teilnehmer profitieren von der gesicherten Gleichbehandlung, Objektivität und Transparenz rund um die Vorbereitung und Durchführung ihrer Prüfung. Die Prüfungsinhalte müssen laut Verordnung gleichmäßig abgedeckt sein, es darf also nicht auf einem Thema „herumgeritten“ werden. Wer die vorgegebene Themenvielfalt im Blick hat und sich insgesamt gut vorbereitet, wird das in der Prüfung auch zeigen können und kann darauf vertrauen, dass das objektiv gesehen wird.

Auch die Prüferinnen und Prüfer in den Prüfungsausschüssen profitieren: Schließlich engagieren sie sich ehrenamtlich und die Kompetenzen müssen im Konsens festgestellt werden. An vermeidbaren Diskussionen nach dem Motto „aber den Kandidaten kenne ich schon lange, unter anderen Umständen hätte der bestimmt anders geantwortet …“ ist hier niemand interessiert.

Die IHKs profitieren, weil sie ihren Auftrag zuverlässig, nicht anfechtbar und dadurch auch wirtschaftlich erfüllen können. Und nicht zuletzt profitieren die Arbeitgeber, weil sie sich auf die berufliche Leistungsfähigkeit verlassen können, die die Prüfung den Absolventinnen und Absolventen bescheinigt.

Wie können Prüferinnen bzw. Prüfer reagieren, wenn Teilnehmende vor Beginn der eigentlichen Prüfung einwenden, die Prüfenden würden sie ja gar nicht kennen und deshalb auch bestimmt nicht richtig verstehen?

Bernd Müller-Hepp: Wir sollten in solchen Fällen erklären, dass eine objektive Bewertung nur dadurch objektiv ist, dass sie eben nicht an ein persönliches Verhältnis gebunden ist. Alle Teilnehmenden haben die gleichen Chancen, denn keiner kennt die Prüfenden schon vorher. Es geht um die Sachebene, das heißt um Handlungskompetenzen im betrieblichen Kontext, und nicht um persönliche Befindlichkeiten. Deshalb entscheidet auch nie ein Prüfer oder eine Prüferin allein und alle Prüfenden verfügen über ausreichende Berufserfahrung, um die Qualität der Antworten mit Blick auf die Berufspraxis einordnen zu können. Dazu zählt auch, dass die Prüfenden Lösungen selbst dann nachvollziehen und beurteilen können, wenn sie von einer Standardantwort abweichen. Es gilt, Mut zuzusprechen, zu motivieren und dabei die guten Gründe für die Organisationsform der Prüfung zu erklären.

Dr. Gordon Schenk: Ich denke, dass Prüferinnen und Prüfer in so einer Situation auch an die Realität des Berufslebens anknüpfen können. Schließlich gehört es heutzutage einfach dazu, mit fremden Menschen in einen sachlichen und fachlich geprägten Diskurs einzusteigen. Ob das die Kundschaft, Lieferanten oder Arbeitskolleginnen und -kollegen sind, Fach- und Führungskräfte auf dem Niveau eines Fachwirte-, Meister oder Betriebswirteabschlusses sollten in der Lage sein, konstruktiv mit anderen zu arbeiten, auch wenn sie sie gerade erst kennenlernen. Genau das spiegelt die Prüfung wider.

Herr Müller-Hepp, Herr Dr. Schenk, vielen Dank für diese tief- und weitblickenden Erklärungen.

Müller-Hepp

Bernd Müller-Hepp, Teamleiter Aus- und Weiterbildungsprüfungen, IHK Nordschwarzwald

© IHK Nordschwarzwald

Statement

Letztlich geht es um kompetente Fach- und Führungskräfte für die Wirtschaft. Es ist im Interesse der Unternehmen sowie der Absolventinnen und Absolventen, dass die IHKs die Chancengleichheit, Objektivität und Fairness in den Prüfungen sicherstellen. Unser System der beruflichen Aus- und Weiterbildung ist eines der besten der Welt, wenn man verstanden hat, was es leistet.


Schenk Gordon

Dr. Gordon Schenk, Referatsleiter Kaufmännische Fortbildungsprüfungen bei der DIHK, Berlin

© DIHK, 2022

Statement

Anders als die akademischen Abschlüsse sind die Fortbildungsprüfungen ‚externe‘ Kompetenzvalidierungen. Die Prüfenden werden bewusst von außen hinzugezogen, sie sind unabhängig von der lehrenden Institution und hatten mit den an der Prüfung Teilnehmenden bis dahin nichts zu tun. Gerade das sichert die Qualität, Aussagekraft und Vergleichbarkeit der IHK-Abschlüsse.