Das belgische Ausbildungssystem fußt ähnlich wie in Deutschland auf den Säulen der praktischen, theoretischen und fachpraktischen Ausbildung. In Eupen hat sich über einen Zeitraum von mehr als 50 Jahren das Zentrum für Aus- und Weiterbildung im Mittelstand (ZAWM) etabliert. Wir sprachen mit der geschäftsführenden Direktorin, Dr. Verena Greten, über die Vorteile einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Sachen Duale Ausbildung.
Über Grenzen hinweg: Keinen Auszubildenden verlieren
So funktioniert es in BelgienFrau Dr. Greten, was sind die zentralen Aufgaben des IAWM, um die berufliche Aus- und Weiterbildung in Ostbelgien zu fördern?
Dr. Verena Greten: Das IAWM entwickelt Bildungskonzepte und Kurse und hat die Aufsicht über die Zentren für Aus- und Weiterbildung des Mittelstandes (ZAWM) in Eupen und St. Vith. Bei uns wird auch über die Anerkennung der Ausbildungsbetriebe entschieden. 80 Prozent der Ausbildung erfolgen in den Betrieben, daher arbeiten wir intensiv mit den Unternehmen zusammen. Wir stellen kurze Wege zur Regierung, zum Ministerium und zum Parlament sicher und wir unterhalten intensive Kontakte zu Schulen und Verbänden.
Worauf legen Sie den besonderen Fokus, um die steigenden Anforderungen an eine qualifizierte und praxisnahe Ausbildung sicherzustellen?
Bei der Ausbildung ist es uns wichtig, die jungen Leute dort abzuholen, wo sie bildungsmäßig stehen. In Ostbelgien haben einerseits etwa 25 Prozent derjenigen, die in die Ausbildung einsteigen, eine geringe schulische Qualifikation und andererseits besitzen knapp 40 Prozent der neu startenden Auszubildenden ein Abitur – dies stellt hohe Anforderungen an die Ausbildenden in den Zentren. Wir begleiten die jungen Leute und decken eventuelle schulische Nachholbedarfe. Eine große Herausforderung ist es, geeignetes Lehrpersonal für die Berufsschule zu finden, das den nötigen Praxisbezug mitbringt.
Sind die Abschlüsse in der Aus- und Weiterbildung vergleichbar mit denen aus Deutschland und anderen Nachbarländern?
Unsere Abschlüsse sind - ebenso wie die Inhalte - absolut vergleichbar. Die Anerkennung der Abschlüsse erfolgt nach ähnlichen Verfahren. Durch Abkommen mit IHKs und HWKs aus dem umliegenden Grenzland konnten Abkommen zur Bi-Diplomierung geschlossen werden, sodass die Auszubildenden beispielsweise im Einzelhandel bei erfolgreichem Abschluss sowohl das belgische als auch das deutsche Zeugnis erhalten. Somit stellt sich in einzelnen Berufen die Frage der Anerkennung erst gar nicht. Auch deutsche Auszubildende nehmen an diesen Bi-Diplomierungen erfolgreich teil.
Wie verbessern sich die Chancen der Jugendlichen auf dem Arbeitsmarkt, wenn sie beim IAWM einen Abschluss geschafft haben?
Eine Studie belegt, dass unsere Absolventinnen und Absolventen die kürzeste Vermittlungsdauer haben. Der Abschluss ist quasi eine Job-Garantie. Wir müssen aber das Image der dualen Ausbildung verbessern. Das beginnt bei der frühen Berufsorientierung in den Schulen, geht über die gezielte Information der Eltern und die Berufserkundung in den Betrieben während der „Schnupperwochen“.
Wie begegnen Sie dem Problem, dass Jugendliche ihre Ausbildung abbrechen?
Bei einem drohenden Vertragsbruch spielt die Kommunikation unter allen Beteiligten eine zentrale Rolle. Wir beraten die Jugendlichen und die Betriebe und versuchen frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen, um so die Beziehung zwischen der oder dem Auszubildenden und dem Betrieb zu verbessern. Um schulischen Problemen zu begegnen, haben wir eigene Methodenkompetenztrainings entwickelt. Die Fachkräftesituation motiviert uns, keinen Auszubildenden zu verlieren.