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Wirtschaftsförderung durch Freistellung von Prüfenden

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© Nuthawut Somsuk/iStock/Getty Images Plus

Die Ausbildungs- und ebenso die Fortbildungsprüfungen im Zuständigkeitsbereich der IHKs zeichnen sich dadurch aus, dass die Prüfenden in der beruflichen Praxis verankert sind. Das hat mehr als nur einen guten Grund, aber der wichtigste lautet: Die Wirtschaft braucht Fach- und Führungskräfte, die über echte Handlungskompetenzen für ihre realen beruflichen Aufgaben und Verantwortungsfelder verfügen – Menschen, die nicht nur theoretisch wissen, was zu tun ist, sondern das auch umsetzen können.

Um diese Handlungskompetenzen durch einen gesetzlich definierten Berufs- oder Fortbildungsabschluss validieren zu können, braucht es daher Prüfende, die selbst wissen, worauf es in der beruflichen Praxis ankommt. Wir sprachen mit dem Hauptgeschäftsführer der IHK Nürnberg für Mittelfranken, Markus Lötzsch, darüber, inwiefern die Wirtschaft selbst am meisten davon profitiert, wenn sie die ehrenamtlich arbeitenden Prüferinnen und Prüfer für die wenigen Tage der mündlichen Prüfungen von ihren Aufgaben im Betrieb freistellt.


Herr Lötzsch, jeder IHK-Bezirk besitzt spezielle Ausprägungen der Wirtschaftsstrukturen. Wenn wir die IHK Nürnberg als Beispiel nehmen, um das Thema „Freistellung von Prüfenden“ greifbar zu machen, wie viele Menschen engagieren sich in Ihrer Region ehrenamtlich für die Durchführung der Fortbildungsprüfungen?

Markus Lötzsch: Aktuell engagieren sich in den mittelfränkischen IHK-Prüfungsausschüssen über 6.000 Personen ehrenamtlich, davon mehr als 1.700 bei den Fortbildungsprüfungen.

Bei den Ausbildungsprüfungen engagieren sich insbesondere Ausbilderinnen und Ausbilder als Prüfende. Bei den Fortbildungsabschlüssen ist das fachliche Level aber ein anderes. Wer sind die Prüfenden in der Fortbildung?

Nach dem Berufsbildungsgesetz sind die Prüfungsausschüsse paritätisch zu besetzen, das heißt: Die Prüfungsleistung wird von mindestens jeweils einem Beauftragten der Arbeitgeberseite, der Arbeitnehmerseite und von einer Person aus dem beruflichen Schul- oder Fortbildungsbereich, in der Regel eine Dozentin oder ein Dozent, gemeinsam bewertet. Die Parität stellt die Objektivität der Bewertung sicher. Sie ist außerdem der Garant dafür, dass sowohl die Absolventinnen bzw. Absolventen als auch die Unternehmen auf die Aussagekraft der Fortbildungsabschlüsse vertrauen können. Vereinfacht gesagt: Wo Geprüfter Industriemeister draufsteht, ist auch Geprüfter Industriemeister drin. Und wer den Titel trägt, der kann auch das, was im Unternehmen von Menschen mit diesem Titel erwartet wird.

Ich erläutere das deshalb ausführlicher, weil so klarer wird, wie wichtig es ist, dass die Prüferinnen und Prüfer aus den Unternehmen kommen. Insgesamt arbeiten etwa 75 Prozent der ehrenamtlich Prüfenden als Fach- und Führungskräfte in ihren Betrieben, 25 Prozent sind Selbstständige, in vielen Fällen handelt es sich hierbei um die Dozentinnen und Dozenten.

Selbstständige haben sicher nicht dieselben Schwierigkeiten, sich für ihr Ehrenamt frei zunehmen. Wie sieht es bei den Prüfenden aus, die in Unternehmen angestellt sind? Das wären etwa 1.300 Personen. Von wie vielen Tagen reden wir überhaupt?

Das zeitliche Engagement der Prüferinnen und Prüfer ist sehr unterschiedlich und liegt selbstverständlich immer im Ermessen der jeweiligen Person. Wir können aber deutlich beobachten, dass die Bereitschaft, sich als Prüfende oder Prüfender zu engagieren und mündliche Prüfungen durchzuführen, größer ist, wenn ihr Unternehmen sie freistellt. Wenn das nicht der Fall ist, und diese Entwicklung stellen leider alle IHKs fest, müssen die Prüfenden sich Urlaub für ihr Ehrenamt nehmen oder Überstunden abbauen.

Im Durchschnitt sprechen wir im Bereich der Fortbildungsprüfungen von zwei Tagen für die Frühjahrsprüfungen und zwei Tagen für die Herbstprüfungen, also von etwa vier Tagen pro Jahr.

Das heißt: Für die gesamte Region Mittelfranken und für alle Nachwuchsfach- und -führungs-kräfte, die der Wirtschaft hier mit einem Fortbildungsabschluss neu zur Verfügung stehen, sind aktuell etwa 5.200 Arbeitstage erforderlich. Und obwohl die Unternehmen solche qualifizierten Arbeitskräfte immer dringender suchen, geht die Unterstützung für diejenigen zurück, die sich ehrenamtlich genau dafür engagieren? 

Auf den ersten, aber auch viel zu oberflächlichen Blick, sieht es so aus. Tatsächlich spiegelt sich hier auch der zunehmende Druck, unter dem viele Unternehmen stehen. Die Personalknappheit und Arbeitsverdichtung nehmen immer weiter zu und deshalb bedeutet die Freistellung einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters eine zusätzliche Herausforderung.

Man muss in diesem Zusammenhang auch den Grundgedanken der IHK konsequent zu Ende denken. Die IHK ist ein Instrument der wirtschaftlichen Selbstverwaltung. Das bedeutet: Die Wirtschaft entscheidet selbst, wie sie sich für die berufliche Aus- und Weiterbildung einsetzt, sie macht dies über die IHKs und das prüfende Ehrenamt auch selbst und sie bezahlt es auch selbst.  

Übrigens ist das auch einer der Gründe, warum die IHK-Organisation nicht dazu übergeht, hauptamtlich Prüfende einzusetzen. Dieses Vorgehen wäre weder von ihren Mitgliedsunternehmen gedeckt noch wären hauptamtlich Prüfende überhaupt dazu in der Lage, das von der Wirtschaft geforderte Qualitätskriterium „Praxiskompetenz“ zu erfüllen.

Aber was antworten Sie dann einem Unternehmer, der sie fragt, warum er eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter – womöglich auch noch bezahlt – zweimal im Jahr freistellen soll, damit sie bzw. er dieses Ehrenamt übernehmen kann?

Wie Sie es eben bereits angedeutet hatten: Eine der größten Herausforderungen unserer Mitgliedsbetriebe in den kommenden Jahren ist der immer stärker werdende Fachkräftemangel. Qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommen allen zugute. Die duale Ausbildung stellt hierbei die erste Stufe dar, eine qualifizierte Weiterbildung, beispielsweise zur Geprüften Wirtschaftsfachwirtin oder zum Geprüften Wirtschaftsfachwirt und daran anschließend zur Geprüften Betriebswirtin oder zum Geprüften Betriebswirt, sind die nächsten Stufen. Und um diese Qualifizierungen in „IHK-Qualität“ umsetzen zu können, werden ganz besonders ehrenamtliche Prüferinnen und Prüfer benötigt.

Neben der gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmen haben die freigestellten Prüferinnen und Prüfer – und damit auch ihre Arbeitgeber – selbst den Nutzen, dass sie durch die Prüfertätigkeit mit ihrem Wissen immer up to date sind. Das Befassen mit Prüfungsfragen erfordert schließlich stets den aktuellen fachlichen Kenntnisstand. Auch das Netzwerk, das durch das ehrenamtliche Engagement mit anderen Prüfenden entsteht, kommt allen Beteiligten zugute. Die Prüferinnen und Prüfer gewinnen in diesem Netzwerk viele wertvolle Impulse rund um die berufliche Praxis in anderen Unternehmen und geben diese gerne an ihre Unternehmen weiter. Die ehrenamtlich Prüfenden sind also ein unverzichtbarer Qualitätsbaustein für die Fachkräftesicherung der gesamten Wirtschaft. Sie sind durch ihr Ehrenamt immer auf der aktuellen Höhe der fachlichen Entwicklungen und bringen ihren Unternehmen zusätzliches Know-how von außen. Diese „Mehrwerte“ rechtfertigen eine Freistellung mit Sicherheit. Am Ende muss sie aber auch für den Betrieb und zu seiner jeweiligen Situation passen.“

Herr Lötzsch, herzlichen Dank für diese Hintergrundinformationen und Ihr engagiertes Plädoyer für die Freistellung der Prüfenden in der Fortbildung.


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Markus Lötzsch - HGF IHK Nürnberg für Mittelfranken

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